ZHINÜ - Project 2005 |
织女 牛郞 ● 七夕 |
Schwäne im Märchen / Swan folktales |
Schwanenjungfrau 400
Märchentyp AT: 400; cf. 401
Grimm KHM: Der König vom goldenen Berg 92; Die Rabe 93; Die drei schwarzen Prinzessinnen 137; Der Trommler 193
Der Jäger und die Schwanenjungfrau
Ein Junge beraubt eine Schwanenjungfrau ihres Federkleides oder eines Kleidungsstückes und zwingt sie dadurch zur Ehe. Da das Federkleid (Kleidungsstück) nicht verbrannt wurde, erhält sie es wieder und flieht. Es folgt die Suche des Jungen nach der Schwanenjungfrau. Er begegnet dabei drei alten hilfreichen Frauen, bei denen er übernachtet und die ihm den Weg weisen, Tieren verschiedener Sphären (Landtiere, Wassertiere, Vögel), dem Nordwind oder streitenden Riesen und erwirbt verschiedene Zauberdinge: Mantel, Schuhe, Schwert etc. Er muss einen hohen Berg (Glasberg) erklimmen oder wird von einem Adler dorthin gebracht, und erreicht schliesslich das jenseitige Schloss mit der Prinzessin. Diese soll verheiratet werden, doch der Junge besiegt mittels der Zauberdinge seinen männlichen Widersacher. Oder er gibt sich zu erkennen, worauf das Gleichnis vom alten und neuen Schlüssel folgt. Der Freier tritt ab und er wird von der Prinzessin geheiratet.
Anmerkung
Die Hauptversion des Märchens wird mit der von anderen Märchen her wohlbekannten Einleitung von drei Brüdern, die nacheinander einen Acker bewachen, gekoppelt. Nur der Jüngste entdeckt den Schwan, beraubt ihn seines Federkleides, gibt es ihm aber gegen das Eheversprechen zurück und bekommt schliesslich einen Ring als Erkennungszeichen, worauf der Schwan verschwindet. Das Verschwinden kann auch nach der Hochzeit geschehen, aber in jedem Fall fordert die Heldin den Helden auf, sie zu suchen, und nennt dabei oft den Namen des Aufenthaltsortes. Auf der Suche nach seiner verlorenen Braut trifft der Held zwei Männer, die um ein Erbe streiten, das aus einem Tarnmantel, Hundertmeilenstiefeln oder ähnlich kostbaren Dingen besteht. Unter dem Vorwand, das Erbe zu teilen, setzt er sich in den Besitz der Gegenstände und verschwindet (siehe 518). Kaum im Besitz dieser Gegenstände, muss der Jüngling "die drei wegweisenden Instanzen" aufsuchen. In einigen Varianten sind dies Sonne, Mond und Wind, und sie helfen ihm, den Aufenthaltsort der Heldin zu finden. Meistens sind es aber drei alte Männer oder Frauen, die über verschiedene Tiere herrschen, und mit ihrer und eines Vogels Hilfe erreicht der Jüngling den Ort, an dem sich die Heldin befindet. Das Motiv vom Flug mit dem Vogel ist manchmal so ausgebildet wie im Märchen vom Bärensohn (301AB).
Der Schluss des Märchens ist durch seine vielfach wechselnden Formen interessant. Die oben besprochenen Varianten, die damit beginnen, dass der Jüngling einen Acker bewacht und die Schwanenjungfrauen dort entdeckt, endigen oft damit, dass der Jüngling seine Braut ungefähr so wie der Bärensohn (301) befreit, nachdem er den Drachen, Riesen oder Unhold besiegt hat, der sie der Vorstellung nach in seiner Gewalt hatte. Im Zusammenhang damit wird oft der Ring als Erkennungszeichen vorgewiesen. So endet auch eine grosse Anzahl der Varianten, die bei den slawischen Völkern bekannt sind. Die übrigen europäischen und einige indische, nord- und westasiatische Varianten schliessen hingegen damit, dass der Held sich nur mittels seines Ringes oder dergleichen zu erkennen gibt. In einem ziemlich grossen orientalisch-europäischen und besonders orientalisch-slawischen Gebiet werden dem Helden wie im Märchen Die magische Flucht (313) durch den Riesen oder den Unhold schwere Aufgaben gestellt. Nach ihrer Lösung folgt in ungefähr der Hälfte der Fälle die eigentliche Flucht mit magischen Verwandlungen oder dem Wegwerfen verschiedener magischer Gegenstände.
Ausser der oben wiedergegebenen Hauptversion haben wir drei weitere Typen mit einer im grossen gesehen auf Europa beschränkten Verbreitung. Im ersten dieser sekundären Typen ist ein Jüngling meistens schon im Mutterleib dem Teufel versprochen wurden. Er geht jedoch bei einem Priester in die Lehre und wird auf dieselbe Weise erlöst wie der Jüngling in 810 (Der Teufel und der magische Kreis). Er soll eine oder mehrere Prinzessinnen in einem Schloss erlösen, worin der Teufel haust. Manchmal sind sie schwarz oder versteinert. Die Wiederverwandlung geschieht dann nur Schritt für Schritt. Sie gelingt ihm jedoch, und er gewinnt seine Prinzessin, aber als er dann sein Elternhaus aufsuchen will, verstösst er gegen ihre Vorschriften und verliert den Wunschring (Flugring), womit er sich im Nu nach Hause und wieder zurück versetzen oder seine Gemahlin herbeiwünschen konnte. Er muss nun auf andere Weise die Heldin zu erreichen suchen und gewinnt sie wie in der Hauptversion mit Hilfe der magischen Gegenstände der um das Erbe Streitenden und nach dem Besuch bei "den drei wegweisenden Instanzen" zurück. Doch gibt er sich gewöhnlich wiederum durch einen Ring zu erkennen.
In dem zweiten sekundären Typ ist der Held oft Soldat, und auch er erlöst eine oder mehrere Prinzessinnen dadurch, dass er sich drei Nächte in einem Schloss aufhält, worin Teufel hausen. Auch hier kommen schwarze oder in anderer Weise verzauberte Prinzessinnen vor, aber die Erlösung ist nicht vollzogen, bevor der Jüngling die Prinzessin auf einem bestimmten Platz erwartet, und als er sich mit ihr treffen soll, wird er mit Schlafdorn gestochen oder auf andere Weise in Schlaf versetzt und muss sie dann genau wie in der Hauptversion suchen. In einem dritten sekundären Typ ist genauso wie im ersten ein Jüngling schon im Mutterleib dem Teufel versprochen worden. Durch den Diebstahl eines Federkleides oder eines Kleidungsstückes wird ihm die Hilfe einer Schwanenjungfrau zugesagt. Darauf folgen zuerst schwere Aufgaben und dann die magische Flucht und die vergessene Braut. Dieser Typus unterscheidet sich von 313 nur durch das eingeschobene Schwanenjungfraumotiv.
Im Catapatha-Brahmana ehelicht Pururavas die Fee (d.h. "Apsara") Urvaci. Nach Übertreten des Gebotes verschwindet sie, und schliesslich findet er sie in Schwanengestalt wieder. Auf der Balkanhalbinsel ist die eigentliche Vorstellung von Schwanenjungfrauen genau wie in Indien in den Volksglauben übergegangen (in Indien "Apsaras", auf dem Balkan "Neraiden"). Wir scheinen hier ein Gegenstück zu dem Glauben der alten Ägypter zu haben, dass die Störche Menschen seien, oder zum Volksglauben an Jungfrauen in Seehundsgestalt an den Küsten der Ost- und Nordsee.
Ein Studium der am besten erzählten orientalischen Version des Hauptmärchens, welche zweifelsohne die Erzählung von Hassan von Basra in Tausendundeiner Nacht mit ihren drei Varianten in derselben Märchensammlung ist, zeigt zwar, dass der Teil des Märchens, der von den Schwanenjungfrauen handelt, ohne Zweifel dem indisch-persischen Kern von Tausendundeiner Nacht angehört, aber auch, dass die Konturen schon in diesem Teil des Märchens so verwischt wurden, dass die unverkennbar ursprünglich geradlinige Komposition sich erst nach einer Analyse zeigt. Hinzu kommen einige deutliche Dublierungen. Ferner kommt hinzu, dass die Motive von den um das Erbe Streitenden und den drei wegweisenden Instanzen ihre Plätze getauscht haben oder ebenfalls Erweiterungen sind. Es hat demnach eine Umarbeitung stattgefunden, und zwar möglicherweise schon auf persischem Boden.
Das Märchen ist in Europa durch das Wielandslied am frühesten belegt, das einer unserer ältesten Eddalieder, aber gleichzeitig südgermanischen Ursprungs ist. Das Motiv der Erzählung scheint nicht der Sage oder den Sekundärtypen entlehnt zu sein, sondern der Hauptversion. Dafür sprechen teils die sowohl im Märchen als auch in der Erzählung vorkommenden beiden Bräute, teils die drei Brüder. Die letzteren sind zweifelsohne von den drei vor allem nach dem Norden gehörenden, den Acker bewachenden Brüdern inspiriert, die dann mit Wieland und seinen beiden Brüdern kombiniert wurden. Drei Schwanenjungfrau-Ehen gibt es dagegen in keiner Variante des Märchens oder der Sage. Das ist eine Gestaltung, die ganz und gar dem Lied angehört. Der Ring, den Niduds Männer Wieland rauben, hat sein Gegenstück in der ebenfalls südgermanischen und in der Lieddichtung übrigens durchschimmernden Siegfriedsage, ist aber mit dem Erkennungsring der Hauptversion und nicht mit dem Wunschring (Flugring) des ersten Sekundärtyps in Zusammenhang zu bringen. Wir werden auch gleich sehen, dass dieser Sekundärtyp jünger als das Wielandslied ist. Es scheint, als ob dieses Lied und die Siegfriedsage ihre Wurzeln in der gleichen Richtung hätten, d.h. dass der Stoff einst der Donau und dem Rhein gefolgt ist (siehe 519). Dies würde auch erklären, wie die Wielandsüberlieferung durch den Daedalusmythos bereichert wurde.
Ausser im Wielandslied finden wir Spuren des Märchens früh in literarischen Bearbeitungen sowohl auf französischem Gebiet, u.a. bei Marie de France (um 1150) in Lanval als auch auf keltischem, italienischem und deutschem Sprachgebiet. Auf deutschem Sprachgebiet ist Albrecht von Scharfenbergs Seifrid de Ardemont (14. Jahrhundert) bemerkenswert. Hierin wird eine Jungfrau in Schlangengestalt durch den Aufenthalt eines Jünglings in einem verzauberten Schloss während dreier Nächte erlöst. Das Schlussmotiv lässt eine in gewisser Hinsicht mit Hassan von Basra in Tausendundeiner Nacht gemeinsame Quelle vermuten. In beiden erreicht der Held nämlich die von ihm Begehrte oder die Schwanenjungfrau dadurch, dass er sich in eine Pferde- resp. Kamelhaut einnähen lässt und von einem Vogel (Greif, resp. Rock) in ihr Land geführt wird - siehe dazu auch die chinesischen Varianten des Märchens Weberin und Kuhhirt mit dem Einnähen in eine Kuhhaut.
Ein mit dem Schwanenjungfraumotiv verwandtes Motiv finden wir in dem aus antiken Vorstellungen geholten Märchen von Melusine von Jean DArras (aus dem Jahr 1387) wieder. Einer Heroisierung des Motivs begegnen wir u.a. im Märchen von dem von einem Schwan gezogenen Lohengrin, dessen Herkunft und Name nicht erfragt werden dürfen (siehe 451).
Literatur
Findeisen, H.: Mensch und Tier als Liebespartner in der volksliterarischen Überlieferung Nordeurasiens und der amerikanischen Arktis. Augsburg 1956.
Frank, E.: Der Schlangenkuss. Leipzig 1928.
Hanika, J.: Die schwarzen Prinzessinnen. In: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 2, 1951, p. 39-47.
Hartland, E.S.: The science of fairy tales. Detroit 1968.
Heisig, K.: Über den Ursprung der Melusinensage. In: Fabula 3, 1960, p. 170-181.
Kretschmar, F.: Hundestammvater und Kerberos. Stuttgart 1938.
Moog, H.: Die Wasserfrau. Köln 1987.
Moor, E.: Über das Märchen von der verwünschten Königstochter: Grimm Nr. 93. In: Aus den Forschungsarbeiten d. ungar. Inst. u. d. Collegium Hungaricum. Berlin, Leipzig 1927. p. 185-220.
Mudrak, E.: Herr und Herrin der Tiere. In: Fabula 4, 1961, p. 163-173.
Petzoldt, L. u.a.: Der Dämon und sein Bild. Frankfurt 1989.
Petzoldt, L.: Von der Liebe zu übernatürlichen Frauen. In: Rudin: Wahr sein kann man. Pforzheim 1990, p. 89-100.
Schmaus, A.: Das Seelentier der Fee. In: Festschrift für M. Woltner zum 70. Geburtstag. Heidelberg 1967, p. 219-227.
Spiess, K.v.: Die Sagen von der Fisch- oder Schlangenjungfrau. In: Wiener Zeitschrift für Volkskunde 46, 1941, p. 31-42.
Der König vom goldenen Berg:
Eine andere, abweichende Fassung aus Zwehrn: Ein Fischer soll die Fische liefern, die er schuldig ist, und kann keine fangen. Da kommt der Teufel, und er verschreibt ihm für reichen Fischfang seinen Sohn. Am andern Tag führt er ihn hinaus auf eine Weise, wo ihn der Teufel holen will; aber der Jüngling nimmt die Bibel mit, macht einen Kreis und setzt sich hinein, so dass der Böse sich ihm nicht nähern kann. Der Teufel heisst ihn die Bibel hinwerfen, aber er tut es nicht; da wirft der Teufel ihm den Stuhl um, so dass der Kreis zerbrochen wird, und schleppt ihn eine Ecke mit sich; aber jener lässt die Bibel doch nicht fallen, und der Böse muss endlich von ihm weichen. Der Jüngling geht fort und kommt in ein grosses Haus, darin ist eine Stube, in der es niemand aushalten kann; er aber legt sich da schlafen. Nachts kommt ein Diener ohne Kopf, der deutet ihm an, es sei eine verwünschte Königstochter in dem Haus, die solle er erlösen, das könne er aber, wenn er sich vor nichts fürchte. Bald kommen Gespenster, die kegeln und packen ihn, ballen ihn zusammen und nehmen ihn zur Kugel und werfen ihn nach den Kegeln. Wie's aber vorbei ist, erscheint ein Geist und bestreicht ihn mit Öl, und er ist wieder frisch wie vorher. Die zweite Nacht kommen die Gespenster abermals, werfen Ball mit ihm, dass ihm alle Glieder knacken und brechen, und wie sie aufhören, sagen sie: "Morgen, wenn du noch da bist, sollst du in Öl gesotten werden". Aber er hat doch keine Furcht, und der gute Geist kommt und heilt ihn wieder. In der dritten Nacht machen die Gespenster ein grosses Feuer an, setzen einen Kessel mit Öl darüber und sagen: "Wenn das siedet, so werfen wir dich hinein". Und über ein Weilchen, als es zwölf schlägt, sagen sie: "Jetzt ist's Zeit!" fassen ihn und werfen ihn nach dem Kessel, aber er fällt neben hin, und aller Spuk ist vorbei. Es steht aber eine nackte Jungfrau neben ihm, die dankt ihm und sagt: "Ich bin eine Königstochter, du hast mich erlöst und sollst mein Gemahl werden". Da reist er fort; sie aber lässt sich überreden und verlobt sich mit einem andern, der eines Königs Sohn ist. Der junge Fischer begegnet auf dem Weg Zweien, die schlagen sich um einen Stiefel, wenn man den anzieht, macht man hundert Stunden mit einem Schritt. Da sagt er zu ihnen: "Den Streit will ich brechen. Stellt auch gegeneinander! Wem ich den Stiefel zuwerfe, der soll ihn haben". Sie drehen sich um, er aber zieht den Stiefel an, tut einen Schritt und ist hundert Stunden von ihnen weg. Ebenso erwirbt er einen unsichtbar machenden Mantel. Nun zieht er fort und kommt in die Stadt, wo die Königstochter eben ihre Hochzeit feiern will. Er geht mit seinem Mantel in das Zimmer und stellt sich hinter sie, niemand kann ihn aber sehen. Und wie sie essen will, hält er ihr die Hand, da erschrickt sie, blickt sich um, und er streift den Mantel ein wenig vom Kopf, so dass sie ihn erkennen kann. Da geht sie mit ihm hinaus, und er rät ihr dem Königssohn zu sagen, wenn man den alten Schlüssel wiedergefunden, bedürfe man des neuen nicht.
Wir unterscheiden folgende Teile des Märchens: A. Der Vater verspricht unwissend seinen Sohn dem Teufel. - B. Der Jüngling erlöst eine in Schlangengestalt verzauberte Jungfrau durch drei qualvolle Nächte und wird ihr Gemahl. - C. Als er seine Eltern besucht, wünscht er wider sein Versprechen die Gattin herbei, die darauf verschwindet. - D. Der Jüngling nimmt streitenden Erben drei Wunschdinge, Schwert, Mantel und Stiefel ab. - E. und kommt unsichtbar in das Schloss seiner Frau, die eben eine zweite Heirat schliessen will.
Aus Österreich: "Der Fischerssohn"; Wanderung zu Mond, Sonne, Wind; Frage über den alten Schlüssel. - Heanzisch: bei Mond, Sonne und Wind; der Wind gibt Zauberstiefel; Frage vom alten Schlüssel. Aus Pommern: "Die Königin von Tiefental"; Wanderung zu Süd-, Ost- und Nordwind. "Das Schloss der goldenen Sonne"; der Jüngste von drei Brüdern tötet nach Anweisung der verzauberten weissen Hindin eine Hexe, wandert ein Jahr lang zu ihrem Schloss und feiert Hochzeit mit der Jungfrau; wie er dann seine Eltern aufsucht, beschützt ihn unterwegs sein in einen Zwerg verwandelter Schwager. - Dänisch: der Vater wird von drei verzauberten Prinzessinnen verpflichtet, in 18 Jahren seinen Sohn zu ihnen zu schicken; Wanderung zu drei Hexen. "Prinsessen med ¯nskeringen"; die Prinzessin von Rosenland hinterlässt dem Helden Bleischuhe; er nimmt streitenden Zwergen Schuhe, Mantel und einen Trog ab und kommt zur Mutter der Winde, Frage vom Schlüssel. "Prinsessen på Skammelsbjærg slot"; Wanderung zum Nordstern; Mond, Sonne. - Norwegisch: "Die drei Prinzessinnen aus Witenland"; Wanderung zu den Herren der Tiere, Vögel und Fische. "Soria-Moria-Schloss"; Halvor tötet in drei Schlössern drei Trolle und befreit drei Prinzessinnen; er fragt bei Mond und Westwind und tauscht für sein Pferd Siebenmeilenstiefel ein. - Rätoromanisch: "Il vento e l'annuvolato"; ein Hirt wird von einer wilden Frau Donna Chelina zum Gatten erwählt. - Aus Italien: ein unglücklicher Fischer erhält vom Teufel (Korsaren) Fische und Geld gegen das Versprechen, ihm seinen jüngsten Sohn zu überliefern; aber der Teufel vermag dem Knaben nichts anzuhaben, weil er das Zeichen des Kreuzes macht. Ein Adler trägt ihn in ein fernes Schloss und verwandelt sich dort in die junge Fee Aquillina. Nachdem er herangewachsen, wird er deren Gatte. Als ihn die Sehnsucht nach Eltern und Brüdern ergreift, gewährt ihm Aquillina ein Jahr Urlaub und schenkt ihm einen Wunschring, verbietet ihm aber, von ihr zu reden. Er besucht die Seinen und nimmt an einem Turnier des Königs von Granada teil, rühmt sich dort, dass er die schönste Frau habe, und ruft, dies zu beweisen, durch den Ring die Fee herbei. Zürnend erscheint sie, nimmt ihm Ross und Waffen und verschwindet. Liombruno trifft im Wald drei Räuber, die um einen unsichtbar machenden Mantel und Zauberstiefel streiten, bemächtigt sich der Wunschdinge, fragt auf einem hohen Berg die Winde, die dort bei einem Einsiedler einzukehren pflegen, nach Aquillinas Land und darf den Sirocco dahin begleiten. Unsichtbar kommt er in das Feenschloss und versöhnt sich mit Aquillina. - Slowenisch: Kuss erlöst die zur Schlange verzauberte Jungfrau, der Held soll den Ring niemandem zeigen, kommt zu Sonne, Mond, Wind. - Serbokroatisch: "Die Vila in Mühlenburg"; die verwünschte Stadt erwacht zum Leben als das Paar in die Kirche tritt; Mond, Sonne, Wind. "Die Vila vom Berge erzieht sich ihren Gemahl"; vier Winde. Ristic-Loncarski: der Held heiratet die erlöste Jungfrau nicht, sondern eine Schlangenprinzessin, deren Haut er verbrennt; der Zar stellt ihm, um die Frau zu bekommen, schwere Aufgaben. Sbornik: drei Brüder sollen drei Jahre und drei Monate im verwünschten Schloss bleiben; der jüngste greift nach einer Blume und wird zu Stein. - Tschechisch: "Die schwarze Prinzessin". "Der Höllentanz"; der Gärtnerjunge mit den goldenen Haaren befreit die ältere "schwarze" Prinzessin und heiratet die jüngere. - Slowakisch: in der verzauberten Burg, in die der Pfeil des jüngsten Prinzen fällt, schläft die Prinzessin mit elf Hofjungfrauen; als er sich rührt, verschwinden sie; eiserne Schuhe; zwölf Glassärge. - Lappländisch: "Der arme Bursch, der Teufel und die goldene Burg"; keine Qualnächte; Ring; Könige der Fische und der Vögel; Schuhe und Mantel. - Ungarisch: Sándor wälzt den Stein von der verzauberten Kröte fort; erhält einen Zauberring; fragt bei Erde, Feuer, Wasser und Luft, raubt den Zwergen Mantel, Schuhe und Geldbeutel; Frage vom Schlüssel. "Die verwunschene Ente"; der Arme verkauft seine beiden Kinder nicht dem Teufel, sondern einem Grafen; der Sohn Janos gewinnt die Fee Ilona, als er auf die verzauberte Ente schiessen will; verschläft das Stelldichein, weil ihm der Kutscher eine Zigeunerwurzel in seinen Rock gesteckt hat; erlöst die Schlange durch drei Qualnächte. - Zigeunerisch: "Die verwünschte Stadt"; der Held erlöst die verzauberte Katze durch drei Qualnächte, dringt aber zu früh zu ihr und wird verwiesen; seine zweite Frau ist treulos und lässt ihn töten; als sein Pferd die Leiche zur ersten bringt, belebt diese sie.
Der bretonische Ritter Graelent im französischen Lai gelangt, wie er im Wald eine weisse Hindin verfolgt, zu einem Quell, in dem drei Jungfrauen baden, gewinnt die Liebe der vornehmsten von ihnen, der er geloben muss, kein Wort zu sagen, wodurch ihre Liebe offenbar werde, und wird von ihr mit einem prächtigen Ross und Kleidern beschenkt. Als König Artus am nächsten Pfingsttag alle Ritter fragt, ob es eine schönere Frau unter der Sonne gebe als seine Gattin, schweigt Graelent lächelnd; wie aber der König ihn auffordert zu reden, erklärt er, er kenne eine dreissigmal schönere, und wird dazu verurteilt, binnen einem Jahr die Dame vorzustellen. Traurig reitet Graelent heim, vergeblich ruft er die Geliebte; am Gerichtstag soll schon das Urteil über ihn gesprochen werden, da erscheint die Schöne im Geleit ihrer Jungfrauen, erwirkt die Freisprechung des Ritters und reitet wieder von dannen. Graelent folgt ihr und fleht vergeblich um ihre Vergebung; erst als er zweimal ihr in den Bach nachsprengt und in die Gefahr des Ertrinkens gerät, erbarmt sie sich und nimmt ihn mit in ihr Land. - Ähnlich berichtet Marie de France vom Ritter Lanval, dass er im Wald in einem kostbaren Zelt eine Dame von wunderbarer Schönheit findet, ihre Minne geniesst, Geld und Gut gewinnt und die Geliebte oft, ohne dass sie einem andern sichtbar ist, wiedersieht. Als die Königin ihm ihre Gunst anträgt, lässt er sich zu der Erklärung hinreissen, er habe ein Geliebte, deren letzte Dienerin die Königin noch an Schönheit übertreffe. Die rachsüchtige Fürstin verklagt ihn bei Artus, der Gerichtstag wird anberaumt, in der letzten Stunde sprengt auf weissem Zelter die Geliebte Lanvals heran und erweist seine Aussage als wahr; dann steigt Lanval hinter ihr aufs Ross, das beide ins selige Feenland Avallon trägt. - Deutschland: hier reitet Mundirosa, die jungfräuliche Herrscherin eines Wunderlandes, dem Helden mit einer Schar von Rittern und Frauen entgegen und begrüsst ihn mit Umarmung und Kuss; beim Scheiden schärft sie ihm ein, dass er sich nie ihrer Schönheit rühme. Auf einem Turnier in Gassana, wo die Königstochter Duzisamor als die schönste gepriesen wird, übertritt er dies Gebot und soll sterben, wenn er nicht in fünf Tagen den Beweis erbringe. Mundirosa erscheint mit einem schwarzgekleideten Gefolge, alle sprechen ihr den Preis zu, sie aber nimmt Abschied von Seifrid. Später lässt er sich in eine Pferdehaut genäht von einem Greifen übers Meer in ihr Land tragen, befreit sie durch einen Zweikampf von ihrem Bedränger Girot und gibt sich ihr zu erkennen.
Die Rabe:
Das Märchen von der verwünschten Königstochter, die ein Jüngling erlöst, dann aber durch dreimaliges Einschlafen vor dem Stelldichein verliert und erst nach geraumer Zeit wiederfindet, zeigt in seiner zweiten Hälfte nahe Verwandtschaft mit KHM 92 und mit dem Trommler (KHM 193). Hält man unsre etwas getrübte Fassung mit den übrigen zusammen, so ergeben sich folgende Züge: A1. Der Held trifft auf der Jagd oder in einem verzauberten Schloss eine in ein Tier verwandelte oder (A2) schwarzgekleidete oder (A3) im Wasser stehende oder versteinerte Jungfrau, die ihn bittet sie zu erlösen. - B1. Er lässt sich drei Nächte hindurch schweigend von Gespenstern misshandeln oder (B2) lässt die Prinzessin dreimal neben sich schlafen, ohne sie anzurühren oder zu beleuchten. - C. Dreimal soll er die Jungfrau bei Tage erwarten, schläft aber ein, da ihn eine Hexe durch einen Schlafapfel oder eine Schlafnadel verzaubert hat. - D. Er wandert nach dem fernen Schloss der Jungfrau und wird durch (D1) Einsiedler, (D2) Geister oder (D3) Tiere zurechtgewiesen, oder (D4) nimmt streitenden Erben Wunschdinge, besonders eine Tarnkappe, fort. - E. Er gelangt endlich in das Schloss und vermählt sich mit der Jungfrau.
In "Das Schloss im Walde und Ritter Gundiberts Abentheuer" erlöst der Ritter die Verzauberte aus ihrer Schlangengestalt durch Schweigen bei furchtbaren Gespenstern; wie die Jungfrau dreimal vorbeifährt, ist der Ritter, der zu ihrer Erlösung wachen soll, eingeschlafen, weil er aus einer Quelle getrunken, an einer Blume gerochen, einen Apfel genossen hat; sie legt ihm jedesmal ein Geschenk zur Seite, ihr Bild, eine Bürste die Geld schafft, ein Schwert mit der Inschrift "Folge mir"; auch ist die Farbe ihrer Pferde jedesmal verschieden. Aus Hannover: "Die Prinzessin hinter dem roten, weissen und schwarzen Meere". - Dänisch: "Prinsessen i Hundeham"; er schläft an drei Donnerstagen ein, weil seine Mutter ihn mit einer Zauberbürste gestrichen hat; hilfreicher Löwe; Turnier. - Schottisch: "Das verzauberte Reh"; Jain wird im Räuberhaus dreimal getötet, von der Hindin belebt; schläft aber dreimal an der Kirchtür ein, weil die Hexe einen Schlafdorn in die Tür oder seinen Rock gesteckt hat; die Geister in der ihm geschenkten Dose tragen ihn in das unterseeische Reich, wo er in drei Wettrennen siegt und die Hand der Königstochter erhält. "The kingdom of the green mountains". - Französisch: "Le pillotous"; Ziege; an der Quelle wird der Held von der Entzauberten geweckt. "Le petit soldat"; die Schlange verlangt, dass er ihr Mieder, Rock und Strümpfe aus den verhexten Zimmern hole; Wunschbörse und Mantel von der Prinzessin entwendet, Hörner durch Pflaumen. "La princesse TroÔol"; Ziege; eine Alte schenkt Wunschtuch und Rute; Mutter der Winde; Frage vom alten Schlüssel. "Jannic aux deux sous"; Kröte durch drei Küsse erlöst; Adler trägt. - Italienisch: "I tre anelli"; er schickt der Königin als Gehilfe eines Goldschmieds die drei von ihr erhaltenen Ringe. "E caporal Pipeta"; er sucht Portugal, wohin die aus der Versteinerung Erlöste gefahren; fragt drei Winde, vom Vogel getragen, tötet einen Drachen. - Serbokroatisch: "Der goldene Apfelbaum und die neun Pfauinnen"; der jüngste Königssohn packt die jüngste der Pfauinnen, die nachts den Apfelbaum seines Vaters plündern, und kost mit ihr, zieht der Entflohenen nach; dreimal vom Diner eingeschläfert, enthauptet er diesen; auf die Vermählung folgt noch eine Entführung der Gattin durch einen leichtsinnig befreiten Drachen. - Slowakisch: der Held bekommt alle Schätze durch das Herz des Adlers, der ihn zum Schloss getragen hat und geköpft worden ist. - Weissrussisch: zehn Soldaten und ein Junker erlösen die eingemauerte Prinzessin durch Schweigen während dreier Nächte; der Junker trinkt Wasser, das ihm ein Greis anbietet, und schläft dreimal ein; übers Meer getragen begräbt er einen Riesen und tötet den Drachen, der die Prinzessin bedrängte. - Grossrussisch: der Held findet die Jungfrau am Meer; wie der Phönix ihn in ihr Land trägt, hört er von einer Alten, dass ihre Liebe in einem Ei, Ente, Hasen, Truhe verborgen ist wie sonst das Leben eines Unholds, und holt das Ei, das die Alte dann der Schönen vorsetzt. Aus Tula: Schwanjungfrau, aufgesucht in eisernen Stiefeln, hilfreicher Löwe, magische Flucht u. a. Aus Nizegorod: die Prinzessin, die sich in das Bildnis des Helden verliebt hat, lässt sich vom Phönix, dessen Fittiche alle Wachen einschläfern, zu ihm tragen; er verspricht in Jahresfrist um sie zu werben. - Tatarisch: "Chosha Sultan"; der Jüngling, dem seine Mutter eine Schlafnadel hat einstecken lassen, verschläft dreimal das Zusammentreffen mit der in Entengestalt gefangenen Jungfrau; zornig macht sie ihr Herz zu einem Stein, legt den in eine Ente, die in einen Hasen und den in einen Kasten unter einem Stein; mit Hilfe dankbarer Tiere findet der Jüngling den Stein und schmilzt ihn im Schnee. Die Verzauberung in eine Hinde, für die in den aufgezählten Varianten des Märchens oft eine Ziege, Schaf, Hund, Katze, Ente, Rabe, Schlange oder Kröte eingetreten ist, ist ein ausserordentlich häufiges Motiv der mittelalterlichen Ritterdichtung. In bretonischen Lais des 12. Jahrhunderts (Graelent, Gugemar, Tyolot) und in Epen des bretonischen Sagenkreises (Lancelot, Perceval I, Floriant et Florete), wie auch im Dolopathos des Johannes de Alta Silva spürt der Held auf der Jagd eine weisse Hinde auf, die ihn von seinen Gefährten weglockt und zu einem Quell, in dem die Fee badet, oder zu einem Palast, in dem sie ihn erwartet, führt; im Lai von Guingamor, im Partonopeus und Perceval II tut ein Eber, im Wigalois ein gehörntes Tier dasselbe. Die in vielen Märchenfassungen folgende Erlösung durch drei Qualnächte fehlt bei Hans Sachs und gehörte vermutlich dem Märchen ursprünglich nicht zu.
Verfasste Gedichte "Friedrich von Schwaben", (zu Anfang des 14. Jahrhunderts). Friedrich, der jüngste von drei herzoglichen Brüdern, gerät bei der Verfolgung eines Hirsches in eine Burg im Wald, deren Tor er offen findet. Er bindet sein Ross an und tritt in einen Saal, wo ein gedeckter Tisch steht, aber weder Frau noch Mann zu sehen ist. Nach dem Mahl legt er sich in einer Kammer schlafen, da kommt nachts ein weibliches Wesen zu ihm und klagt ihm seine Not. Es ist eine Königstochter Angelburg aus der lichten Aue, die durch ihre arge Stiefmutter Flanea bei ihrem Vater angeklagt wurde, als ob sie ihm durch Zauberei das Augenlicht genommen hätte, und nun zur Busse mit ihren beiden Jungfrauen den Tag über als Hirsch im Wald laufen muss; nur nachts erhalten die drei Mädchen ihre menschliche Gestalt und finden in diesem Haus Nahrung und Ruhe. Friedrich vermag ihnen Erlösung zu bringen, wenn er dreissig Nächte innerhalb eines Jahres neben Angelburg schläft, ohne sie zu sehen oder ihre Ehre anzutasten. Bereitwillig gelobt der Ritter dies zu erfüllen. Er reitet heim und kehrt zu den angesetzten Fristen jedesmal in die Burg zurück. Als ihn daheim immer grössere Sehnsucht verzehrt, lassen seine Brüder Ärzte kommen, die aber sein Leiden nicht zu heilen wissen. Endlich verheisst ein fremder Arzt Hilfe; es ist der verkleidete Buhle der Königin Flanea, die in Erfahrung gebracht hat, dass nur noch Nächte zur Erlösung fehlen. Der Zauberer erklärt, Friedrichs Krankheit sei die Liebe, und rät ihm, wenn Angelburg entschlafen sei, mit einem Feuerzeug Licht zu machen und die Geliebte zu betrachten. Friedrich lässt sich betören und erblickt die Jungfrau in ihrer sonnengleichen Schönheit; da erwacht sie und klagt, nun müsse er ein Auge verlieren, sie aber werde als Taube zum lichtesten Brunnen entrückt und könne ihn erst wiedersehen, nachdem er drei grosse Kämpfe bestanden; zum Abschied gibt sie ihm einen wunderkräftigen Ring. Betrübt zieht Friedrich zu seinen Brüdern, teilt mit ihnen sein Erbe und reitet durch die Lande, allenthalben nach dem lichtesten Brunnen fragend. Endlich geht ihm die Zehrung aus, er muss seine Gefährten entlassen und arm und allein allerlei Abenteuer bestehen. Nach Jahren zeigt ihm eine gleichfalls von ihrer Stiefmutter in einen Hirsch verzauberte Königstochter Pragnet den Brunnen. Er nimmt dort drei badenden Jungfrauen, die als Tauben geflogen kamen, ihr Gewand und verlangt, dass Angelburg, die ihn nicht erkennt, ihm die Ehe gelobe; erst als dies geschehen, zeigt er ihr den Ring, und freudig ziehen sie miteinander in Angelburgs Erbland. Flanea treibt ihren schwachen Gemahl, mit Heeresmacht dem Fürsten und seinem Anhang entgegenzutreten; aber die Schlacht und der dreitägige Zweikampf mit dem Zauberer Jeroparg enden mit einem vollen Sieg Friedrichs. Die tückische Königin und ihr zaubermächtiger Buhle werden verbrannt.
Der Trommler:
Es sind hier zwei verschiedene Märchen zusammengeschweisst, erstens die gewonnene, entflohene und wieder aufgesuchte Schwanjungfrau, zweitens das Märchen von den mit Hilfe der Liebsten gelösten Aufgaben der Hexe und dem Vergessen der Braut. Den Anlass zu dieser Verbindung hat vermutlich eine Fassung des zweiten Märchens gegeben, in welcher der Held auf dem Weg zum Unhold sich den Beistand der jüngsten Tochter des Dämons dadurch zu sichern sucht, dass er der Badenden das Schwan- oder Entengewand raubt und erst gegen das Versprechen ihrer Hilfe zurückgibt.
Wir unterscheiden folgende Teile: A) Der Held raubt einer badenden Schwanjungfrau ihr Federgewand und gewinnt sie zur Frau. - B) Die Frau findet das versteckte Gewand und entflieht in ihre Heimat (zum Glasberg). - C) Der Held folgt ihr und gewinnt sie wieder, nachdem er (C1) Hilfe von Riesen oder Vögeln und verschiedene Wunschdinge (Sattel, Hut, Mantel, Stiefel, Schwert) erhalten (wie in KHM 92, 93) oder (C2) Aufgaben (wie in KHM 113) gelöst hat. - C3) Bisweilen auch gemeinsame magische Flucht.
Deutsch: "Der geraubte Schleier"; ein Eremit, der selbst die geliebte Schwanjungfrau verloren, unterweist den Helden. Schwäbisch: "Von drei Schwänen"; Erlösung durch Peinigung während dreier Nächte, wie in Varianten KHM 93. Tirolisch: "Der gläserne Berg". Siebenbürgisch: "Die Schwanenfrau". Odenwald: "Von der schönen Schwanenjungfer"; Verbot, von der Braut zu sprechen; der Vogel Greif trägt den Helden zur "finstern Welt" empor; Peinigung während dreier Nächte. Böhmisch: "Die drei weissen Tauben"; der befreite Drache schenkt dem Helden drei Leben, hilfreiches Pferd. "Die Jungfrau auf dem gläsernen Berge"; drei Enten; hilfreiche Tiere. Niederrheinisch: "Der gläserne Berg"; ein Vogel trägt empor. Holsteinisch: "De twölf Swön"; Hans belauscht die im Weizenfeld tanzenden Jungfrauen, erhält für den geraubten Mantel einen Wunschbeutel und erlöst jene mit Hilfe eines redenden Schimmels. Pommerisch: "Der Hühnenberg". Westpreussisch: "Die beiden Schwäne"; Ring statt Gewand.
Dänisch: "Jomfru Lene af Søndervand"; die Schwanjungfrau kommt nach einem Jahr am Johannistag, um Hochzeit zu halten, kehrt aber um, weil der König zugegen ist. "Prinsessen i Babylonien". - Schwedisch: "Die geflügelten Elfen". "Das schöne Schloss östlich von der Sonne, nördlich von der Erde"; drei Taubenjungfrauen zertreten die Wiese. - Norwegisch: "Südlicher als Süden und nördlicher als Norden und in dem grossen Goldberg"; drei Tauben im Weizenfeld. "Daverdana av Egreteland"; Stelldichein dreimal verschlafen. - Isländisch: "Die Burg östlich vom Mond und nördlich von der Sonne"; drei Schwanjungfrauen holen nachts die Blumen fort; der Held fragt Vögel und Winde. - Färöisch: "Das Seehundweibchen". - Englisch: "Die verheiratete Meermaid"; Seehundsfell geraubt. - Rätoromanisch: "Die Schwanenjungfrau". - Italienisch: "Die Heirat mit der Hexe"; statt des geraubten Schwanenkleides die Bedingung, die Gattin nie bei Kerzenlicht anzusehen und "Die drei Tauben". "L'isola della felicità". "Von Joseph, der auszog sein Glück zu suchen"; ein Vogel, der den in eine Tierhaut eingenähten Helden auf den Diamantberg trägt. - Spanisch: "El marqués del Sol". - Albanisch: "La loubie et la belle de la terre". - Serbokroatisch: "Der Prinz und die drei Schwäne". "Die Vila in der goldenen Burg". Strohal: der Schlüssel des Glasbergs liegt im Herzen eines Drachen. "Die Frau eine Wölfin". - Bulgarisch: "Der Hirt und die drei Samovilen". - Böhmisch: "Der goldene Berg". "Die Taube mit den drei goldnen Federn". Kulda: der Held kann sich in Tiere verwandeln, überwindet dadurch den Drachen und befreit die Jungfrau; die Braut wird zu einem Pferd, auf dem der Held drei Tage ohne Speise und Trank reiten soll; er muss sie im gläsernen Palast suchen; es hilft der von der Frau gekreuzigte Vater der Braut; Taube, der der Held drei goldene Federn ausreisst, wird zur Jungfrau, er hütet die Pferde der Hexe mit Hilfe dankbarer Tiere, erhält ein Zauberschwert, tötet den Drachen und befreit die drei Tauben. - Slowakisch: der jüngste Sohn fängt die drei Schwanjungfrauen, die die Goldbirnen stehlen, mit Hilfe einer Maus; die Schöne verschwindet, als eine Hexe in der dritten Nacht ihre goldenen Haare abschneidet, bis hinter das rote Meer; Erlösung der Prinzessinnen im eisernen, kupfernen und gläsernen Berg. - Polnisch: "Die goldenen Tauben"; mit Hilfe dankbarer Tiere gelangt der Held auf den Glasberg, besiegt den Drachen, öffnet mit dem Schlüssel, den er der aus diesem entfliegenden Taube entnommen, das verwünschte Schloss. - Grossrussisch: "Yelena the wise". - Lappländisch: "Das Mädchen aus dem Meere". "Die Tochter des Beivekönigs". - Ungarisch: "Fairy Elizabeth".
Die arabische Erzählung vom Juwelier Hassan von Basra in der 1001 Nacht gehört zu den ausführlichsten und ausgeschmücktesten der Sammlung. Ein tückischer Magier will sich durch den jungen Hassan das kostbare Holz vom Wolkenberg verschaffen, dessen er zu seinen alchimistischen Arbeiten bedarf. Nachdem der Jüngling in eine Tierhaut genäht und von einem Geier zu dem unersteigbaren Gipfel emporgetragen ist und das verlangte Holz seinem Meister hinuntergeworfen hat, überlässt ihn dieser seinem Schicksal. Hassan stürzt sich ins Meer und gelangt zu einem Schloss, wo er von weiblichen Genien freundlich aufgenommen wird. Nachdem er eine verbotene Tür geöffnet, belauscht er in einem Garten zehn badende Schwanjungfrauen, gewinnt eine davon zur Gattin und zieht mit ihr heim zu seiner Mutter. Nach Jahren findet die Frau während seiner Abwesenheit ihr Federkleid und entfliegt mit ihren beiden Kindern nach den Inseln Wâk (Japan?). Hassan folgt ihr und befreit nach vielen Abenteuern, von einer hässlichen Alten unterstützt und mit Hilfe einer unsichtbar machenden Mütze und eines Zauberstabes, die er streitenden Erben abgenommen, die Seinigen aus der Gewalt der grausamen Königstochter Nur-el-Huda, der Schwester seiner Gattin. - Eine kürzere und ursprünglichere Form bietet die Geschichte Azems in derselben Sammlung, während die Geschichte Dschânschâhs ebenda den Helden zu einem Prinzen macht, der bei der Verfolgung einer Gazelle in die Reiche der Affen und der Ameisen kommt und von einem jüdischen Zauberer zum Diamantberg gebracht wird; statt der Schwäne erblickt er drei Tauben; die Heimat, in die seine Gattin zurückfliegt, heisst Takni. - Tatarisch: der Held beschleicht drei badende Königstöchter, die seine Schwester in Taubengestalt besuchen, in dem verschlossenen Park, raubt das Taubengewand der einen und macht sie zu seiner Frau, wird aber wegen des gebrochenen Gastrechts von seinem Vater verstossen; als er wider die Vorschrift der Frau sein erstes Kind in die Hände nimmt, zerreisst es die Frau; als er es beim zweiten wiederholt, verschwindet sie; um sie noch einmal zu sehen, verbrennt er die mit ihrem Geld gekauften Waren. - Ajsorisch: Zar Bagrej findet im Palast des Zaren Kischmir einen marmornen Springbrunnen, zu dem täglich drei Königstöchter aus dem Diamantenreich als Tauben geflogen kommen, und gewinnt eine von ihnen; sie verlässt ihn, weil sie gezwungen ist sich mit dem Schwert zu wehren; er lässt sich vom Adler zu ihrem Vater tragen und kehrt nach einigen Jahren mit ihr heim. - Indisch: "Toria the goatherd and the daughter of the sun". "The king's son and his fairy bride" und "The monkey princess". - Annamitisch: "L'étoile du soir et l'étoile du matin"; der Mann sucht mit seinem Kind die Gattin auf, stürzt aber ins Meer und wird in den Abendstern verwandelt, sie in den Morgenstern. - Java: "Dewi Nawang Wulan"; Widôdari heissen die Himmelsnymphen. - Guyana: "The royal vultures"; der Jüngling wird von der Vogelfrau in ihr Wolkenreich getragen, verlässt sie, um seine Mutter aufzusuchen, kämpft gegen die Geier, um seine Frau wiederzuerhalten, und wird vom unerkannten eignen Sohn erschlagen. - Eskimo: "Ititaujang"; die Wildgans verwandelt sich, nachdem ihr der Held ihre Schuhe wiedergegeben hat, in ein Mädchen und wird seine Frau; als er aber einmal verlang, dass sie von dem erlegten Walfisch esse, rafft sie Vogelfedern auf, wird mit ihrem Kind zur Wildgans und entfliegt; der Held findet sie nach verschiedenen Abenteuern mit einem andern Gatten auf einer fernen Insel und tötet sie.
In der Völundarkvida (Edda) lassen sich drei Walküren am Seestrand nieder, um zu baden; Wölund und seine Brüder nehmen ihnen ihre Schwanhemden und machen sie zu ihren Frauen, aber im neunten Winter entfliegen diese. Im Epos "Friedrich von Schwaben" nimmt der Held der schönen Angelburg, die mittags mit ihren zwei Jungfrauen in Taubengestalt zu einem Quell fliegt, während des Bades die Gewänder und gibst sie nicht eher heraus, als bis ihm Angelburg die Ehe angelobt hat. - Auf andre Sagen von Ehen mit überirdischen Frauen, wie Melusine, Liombruno, Donaunixen, brauchen wir hier nicht einzugehen; doch sei auf das irische Märchen "Die Nixe von Gollerus" hingewiesen, wo die geraubte Mütze der Meerfrau diese in die Gewalt des Fischers bringt, und auf das galizische, wo der geraubte Schuh der wilden Frau das Gleiche vollbringt. - Der in holsteinischen, skandinavischen, finnischen und lappländischen Fassungen erscheinende Eingang, dass der jüngste von drei Brüdern auf dem Feld wacht, um den ausfindig zu machen, der nachts die Saat zertritt oder den Garten plündert, ist wohl aus einem andern Märchen herübergenommen. - Zu dem Glasberg, der mehrfach durch einen Silber-, Gold- oder Smaragdberg oder ein Wolkenreich ersetzt wird, vgl. BP 1, 233. 2, 273. - Zur Befragung der Winde BP 2, 272.
Der Jäger und die Schwanenjungfrau
Es hatte einmal ein junger Jäger seinem König einen grossen Dienst erwiesen, und zum Dank dafür wollte der König ihm eine Gnade gewähren und fragte ihn, was er sich wünsche.
"König Majestät", sagte der Jäger, "hier am See liegt so'n nettes Gut mit einem Stück Wald, das möchte ich haben."
"Das passt schön", sagte der König, "das Gut gehört ins Königliche. Du sollst es haben!"
So konnte der Jäger mit seiner alten Mutter in das schöne Gutshaus ziehen. Die Mutter führte ihm die Wirtschaft, und er ging fleissig auf die Jagd. Eines Tages aber sollte der Jäger ein Wunder erleben.
Er stand nicht weit vom See, da kamen drei schneeweisse Schwäne angeflogen und liessen sich am Ufer nieder. Dann sah der Jäger plötzlich statt ihrer drei Jungfrauen in den See gehen und darin baden, und die waren so wunderschön, dass er schier erschrak vor dem Anblick. Nach einer Weile kamen sie wieder aus dem Wasser und flogen als Schwäne auf und fort. Voller Verwunderung ging der junge Jäger heim und merkte sich den Weg genau.
Am nächsten Tage kam er um dieselbe Stunde wieder zu dem See, und da geschah das nämliche. Die drei Schwanenjungfrauen kamen ihm nicht mehr aus dem Sinn, und weil er eben ans Heiraten dachte, so setzte er sich in den Kopf, niemand anders als die Jüngste und Schönste von den dreien sollte seine Frau werden.
Als er sie am dritten Tage wieder zu derselben Zeit im See baden sah, schlich er sich sacht heran, nahm der Jüngsten ihr Schwanengewand weg und machte sich damit fort.
Wie sich nun die beiden andern zur Rückkehr anschickten, kam die Jüngste ihm nachgelaufen und bat und jammerte um ihr Überkleid. Der Jäger aber tat, als ob er gar nichts hörte, blickte nicht ein einziges Mal zurück und liess die bittende und weinende Schwanenjungfrau hinter sich herlaufen, bis er zu Hause war. Dort gab er ihr ein Kleid von seiner Mutter und hiess sie damit zufrieden sein. Das Schwanengewand aber legte er heimlich in ein Kästchen und versteckte es.
Nun musste das Mädchen bei den Jägersleuten bleiben, und die taten ihr zuliebe, was sie ihr an den Augen absehen konnten. Und weil ihr der junge Jäger auch wohl gefiel, so besann sie sich nicht lange, als er sie fragte, ob sie ihn heiraten möge, und sagte "Ja". Da schmückte der Jäger sein feines Häuschen mit allen Hirschgeweihen, die er erjagt hatte, ging in die Stadt und kaufte seiner Frau das schönste Gewand, das er nur aufbringen konnte, und bald wurde die Hochzeit gefeiert, und es war ein Singen und Jubeln, als wäre der Himmel voll Bassgeigen.
Friedsam und fröhlich lebte nun der Jäger mit seiner Frau und seiner alten Mutter im Haus am Wald. Jahr auf Jahr verging. Jetzt hatten die Jägersleute schon ein paar Kinder. Da ging eines Tages der Jäger wieder auf die Jagd, während seine Frau und seine Mutter im Hause herumschäfferten (wirtschafteten).
Mit eins fand die Mutter jenes Kästchen und öffnete es. Da sah sie das Schwanengefieder liegen. "Ach", sagte sie, "sieh doch nur! Hier liegt dein Schwanenkleid -- so schön rein und unberührt!"
Die junge Frau sah hin und griff danach. Dann streifte sie sich rasch das Kleid ab und warf sich das Schwanengewand über. "Mutter", sagte sie, "wer mich wiedersehen will, muss in den gläsernen Berg kommen, der auf einem blanken Felde steht. Ich bin eine verwünschte Prinzessin und muss dorthin zurück. Grüsst mir meinen lieben Mann und meine lieben Kinderchen und lebt wohl!" Damit schwang sie sich auf -- und fort war sie. Die alte Mutter wusste kaum, wie alles so rasch geschehen sei.
Als die Prinzessin überm Wald dahinflog, suchte sie, ob sie nicht zwischen all den vielen Bäumen noch einmal ihren Mann sehen könnte, und fand ihn auch. "Leb wohl, mein lieber Mann", rief sie, während sie über ihm wegzog, "leb wohl und grüss mir meine lieben Kinderchen!"
Der Jäger erschrak. "Soll ich schiessen?" dachte er. "Mein Gott, was würd's mir helfen! Schiess' ich sie tot, dann hab' ich ebensolches Leid, als wenn ich sie nimmer wiederseh'. Mein Gott, warum hat sie mir das doch angetan!"
Als er traurig nach Hause kam, erzählte die Mutter ihm vom gläsernen Berg auf blankem Felde. "Mutter", sagte er, "nun hab' ich keine Ruhe mehr. Ich will meine Frau suchen. Ich hab' sie ja so liebgehabt, wie ich gar nicht sagen kann. Ich muss sehen, ob ich sie nicht ausspüre." Und damit ging er fort.
Bald kam er auf eine Heide, die zog sich weit ins Land hinein. Und in der wohnten ganz verstreut drei alte Brüder, die Einsiedler waren und mit keiner Menschenseele verkehrten.
Als der Jäger 'ne Zeitlang gewandert war, kam er zu dem ersten Einsiedler. "Gott sei mir gnädig!" sagte der alte Mann. "Ich wohn' hier schon seit Urgedenken und hab' all lang', lang' keinen Menschen gesehn. Wie kommst du hierher?"
Der Jäger erzählte ihm alles und fragte, ob er nicht den gläsernen Berg auf einem blanken Felde kenne.
"Höre", sagte der Einsiedler, "ich bin in meiner Jugend viel herumgekommen und hab' so manches gesehn; aber von einem gläsernen Berg und von einem blanken Feld hab' ich nie gehört. Wandre ruhig weiter! Du triffst vielleicht noch einen Bruder von mir am Leben. Es kann sein, dass der Bescheid weiss. Als wir Brüder uns vor langer Zeit trennten, behielt jeder ein Stückchen Geld bei sich zum Erkennungszeichen, wenn wir uns mal wiedersehen sollten. Hier hast du mein Stückchen! Gib es meinem Bruder!"
Darauf wanderte der Jäger weiter und war sehr traurig in seinem Herzen. "Aber", dachte er, "soll sie so in der Welt herumirren, dann ist es mir auch schon recht, wenn ich's gerade so hab'."
Nachdem er eine lange Strecke durch die Heide gegangen war, kam er zu dem zweiten Einsiedler. "Gott sei mir gnädig!" sagte der. "Ich kann die Zeit nicht denken, dass ich zuletzt einen Menschen gesehn hab'. Wie kommst du hierher?"
Der Jäger erzählte ihm alles und gab ihm das Stückchen Geld von dem ersten Einsiedler.
"Also mein lieber Bruder lebt noch!" sagte der Alte. "Hör mal, ich bin in meiner Jugend viel herumgekommen und hab' viel erlebt; aber von einem gläsernen Berg und von einem blanken Feld hab' ich nie gehört. Wandre ruhig weiter! Du triffst vielleicht noch unsern jüngsten Bruder am Leben. Es kann sein, dass der Bescheid weiss. Hier hast du mein Stückchen Geld! Gib ihm das!"
Darauf wanderte der Jäger weiter. Wie er so in seinen Gedanken dahinging, kam er an einen Busch, da lag ein toter Ochse, an dem sassen ein Löwe, ein Windhund, ein Adler und eine Homsk (Ameise). Er wollte vorbeigehen, da hielten ihn die vier an und baten ihn, er möchte ihnen doch den toten Ochsen zerteilen. Das tat denn der Jäger auch.
Zum Löwen sprach er: "Du hast ein grosses Maul und musst es immer voll haben. Du kriegst das Fleisch!" Und er warf ihm alles Fleisch hin. Zum Windhund sprach er: "Du schleppst dich gern mit Knochen herum und knabberst dran; du sollst dein gutes Teil haben." Und er warf ihm alle Knochen hin. Zum Adler sprach er: "Du dadderst gern in deinem Fressen herum", und er warf ihm alle Eingeweide hin. Zur Homsk sprach er: "Du wohnst am liebsten gleich in deinem Fressen. du kannst hier in den Kopf kriechen!" Danach ging er weiter.
Als er schon eine Strecke weit weg war, kam ihm der Windhund nachgesetzt und bat ihn, er möchte doch umkehren, sie wollten sich ihm dankbar erweisen. Der Jäger glaubte nicht recht daran, aber ging doch mit dem Windhund zu den andern. "Ja, ja", sagte er, "ich kann's mir denken; ich hab' euch den Ochsen nicht zu Dank geteilt."
Da riss sich der Löwe ein Haar aus, gab es ihm und sagte: "Wenn du einmal in Not kommst, so bieg das Haar krumm, dann bist du ein Löwe und hast dreimal mehr Kraft als ich."
Der Hund riss sich auch ein Haar aus und sagte: "Wenn du einmal in Not kommst, so bieg das Haar krumm, dann wirst du zum Windhund und kannst dreimal so geschwind laufen wie ich."
Und der Adler riss sich eine Feder aus, die gab er ihm und sagte: "Wenn du einmal in Not kommst, so bieg die Feder krumm, dann wirst du ein Adler und fliegst dreimal so schnell wie ich."
Und die Homsk riss sich einen Fuss aus, gab ihn dem Jäger und sagte: "Wenn du mal in Not kommst, so bieg den Fuss krumm, dann bist du dreimal so klein wie ich."
Der Jäger bedankte sich und ging weiter. Und es dauerte nicht mehr lange, so kam er zu dem dritten Einsiedler. "Gott sei mir gnädig!" sagte der. "Es ist schon nicht mehr zu denken, wann ich den letzten Menschen gesehen habe. Wie kommst du hierher?"
Der Jäger erzählte und übergab ihm das Stückchen Geld von dem zweiten Einsiedler. "Also meine lieben Brüder sind noch am Leben!" sagte der Greis. "Hör mal, mein Sohn, ich möchte dir gern helfen. Es ist zwar schon lang' her, dass ich vom gläsernen Berg auf einem blanken Felde etwas gehört habe; aber dazumal war er verwünscht, und nur einer, der ungeheure Kräfte hatte, so hiess es, hätte ihn erlösen können. Es soll schwer sein, da heraufzukommen, und oben ist nur ein Ritzchen, durch das 'ne Homsk kriechen kann."
"Schön", sagte der Jäger, dankte dem Alten und machte sich wieder auf den Weg.
Nun kam er aus der Heide heraus und geriet auf ein weites, blankes Feld; und wie er da so immer zuging, sah er von ferne den gläsernen Berg. Rasch holte er die Feder hervor, bog sie und flog als Adler hinauf.
Richtig! Da ober war ein einziges kleines Ritzchen zu finden. Mein Jäger verwandelte sich rasch in 'ne Homsk und kroch hinunter und bis an das Haus, das da unten stand. Hier sass ein Greis am Fenster und guckte hinaus; das war ein verwunschener König. Und sein ganzes Königreich, die Residenzstadt, seine drei Töchter, seine Soldaten und seine Dienerschaft und alles, was sonst noch da war -- alles war verwünscht.
Der Jäger kroch als Homskchen an dem Greis vorbei, durch die erste Stube, wo die älteste Prinzessin sass, durch die zweite Stube, wo die zweite Prinzessin sass, bis in die dritte Stube, wo er seine Frau fand.
Die Prinzessin merkte nicht, wie das Homskchen auf ihrem Kleid herumkroch. Sie sass recht traurig da. Aber als jetzt zu Mittag gerufen wurde, stand sie auf und trat vor den Spiegel. Da verwandelte sich der Jäger in seine richtig Gestalt und sah auch in den Spiegel. Als die Prinzessin das Gesicht dort erblickte, erschrak sie und drehte sich rasch um. Aber da war nichts zu sehen, denn der Jäger hatte sich wieder in eine Homsk verwandelt. Sie schaute abermals in den Spiegel, und der Jäger machte es wieder so. "Mein lieber Mann", sprach da die Prinzessin, "bist du hier, so zeig dich doch!"
Da trat der Jäger in seiner rechten Gestalt vor, und sie fiel ihm um den Hals und liess sich alles von ihm erzählen. "Ach", sagte sie dann, "wenn ich nur wüsste, wie wir erlöst werden können! Hier ist alles verwunschen. Ich muss doch mal meinen Vater fragen. Verwandle dich wieder in ein Homskchen! Ich will dich an meinem Kragen hintragen."
Der Jäger tat, wie sie ihm geheissen hatte, und als alle beim Essen sassen, sagte die Prinzessin: "Mein Gott, wann werden wir doch endlich erlöst werden!"
"Oh", riefen die Schwestern, "wer weiss, ob wir nicht schon längst erlöst wären, wenn du dich nicht hättest greifen lassen. Damals wurden wir noch viel ärger verwünscht."
"Mein Kind", sagte der alte König, "wir könnten wohl erlöst werden, aber es ist schwer. Vor allen Dingen müsste der Drache mit den zwölf Köpfen, dem der Edelmann hier in der Nähe täglich zwanzig Schweine liefern muss, umgebracht werden.
Aber wenn ihn auch einer bezwungen und ihm den letzten Kopf abgeschlagen hat, dann wird aus diesem Kopf ein Hase springen, den muss er greifen; und wenn er den Hasen getötet hat, wird dem aus dem Kopfe eine Taube fliegen. Da muss er hurtig sein und die Taube haschen und umbringen. In ihrem Kopf wird ein Steinchen sein, das muss hier über uns durch das kleine Ritzchen in den Berg geworfen werden. Wie soll aber einer, der uns erlösen will, das alles wissen? Es müsste schon ein Homskchen sein und zuhören, wie ich das so spreche."
Die Prinzessin sagte nichts. Sie nahm etwas Essen vom Mittagstisch mit in ihre Stube, um es ihrem Mann zu geben. Und der hielt sich einige Tage lang dort versteckt. Dann aber sagte er, er wolle sich zu dem Edelmann begeben und sich bei ihm als Schweinehirt vermieten.
Es war aber nicht leicht, aus dem gläsernen Berg herauszukommen. Der Jäger verwandelte sich wohl in ein Homskchen und kroch an der Wand hinauf, aber die war so glatt und hoch; nein, wahrhaftig das war nicht leicht. Endlich war er draussen und suchte den Edelmann auf, dem er sich als Schweinehirt anbot.
"Gut", sagte der Edelmann, "ich will dich nehmen. Aber es ist eigentlich schad' um einen so netten jungen Menschen. Wenn du nicht verstehst, die Schweine auf einen Hümpel zusammenzujagen, dann geht's dir schlecht. Gewöhnlich ist der Schweinehirt das erste Frühstück vom Drachen."
Der Jäger liess sich aber nicht abschrecken, sondern ging am andern Morgen mit zwanzig Schweinen auf das Feld, wo der Drache immer die Mahlzeiten hielt. Anstatt aber die Schweine zusammenzuhalten, um den Drachen nicht zu ärgern, schucherte er sie in die Runde: hier eins und da eins.
Nun kam der Drache wütend auf ihn losgefahren. Da nahm der Jäger das Löwenhaar und bog es krumm und fiel als Löwe den Drachen an. Nach langem Kampfe hatte er ihm zwei Köpfe abgerissen. Da sagte der Drache: "Hätt' ich nur ein paar Tröpfchen Blut von meinen Schweinen, dann hätte ich mehr Kraft."
"Ja, und hätt' ich nur 'n Krüstchen Brot", sprach der Jäger.
Nun liessen sie voneinander ab, und der Jäger trieb die Schweine zusammen und ging mit ihnen nach Hause. Der Edelmann stand am Fenster und wollte seinen Augen nicht trauen, als er ihn mit allen zwanzig Schweinen ankommen sah.
Am andern Morgen trieb der Jäger wieder aus, und alles geschah wie gestern; doch riss der Löwe heute dem Drachen vier Köpfe ab. "Hätt' ich nur ein paar Tröpchen Blut von meinen Schweinen", sagte der Drache, "dann hätt' ich mehr Kraft."
"Ja, und hätt' ich nur 'n Krüstchen Brot!" sagte der Jäger.
Darnach ging er nach Hause mitsamt den zwanzig Schweinen.
"Hör mal", sagte der Edelmann zu seinem Diener, "ich möchte gern wissen, wie's morgen sein wird. Schleich du hinter dem Schweinehirten her und sieh zu, was er angibt. Nimm aber Wein und Brot mit für den Fall, dass ihn die Kraft verlässt!"
So nahm der Diener dann eine Flasche Wein und hausbackenes Brot und folgte dem Jäger, als der am andern Morgen austrieb.
Es waren dem Drachen beinahe schon alle Köpfe abgerissen, da sagte der wieder: "Hätt' ich jetzt nur ein paar Tröpfchen Blut von meinen Schweinen, dann hätt' ich mehr Kraft."
"Ja, und hätt' ich nur 'n Krüstchen Brot", sagte der Jäger.
Sofort sprang der Diener vor, schlug der Flasche den Hals ab und reichte sie samt dem Brot dem Jäger. Der trank den Wein so quantsweise aus und ass sich am Brot satt. Und dann warf er sich wieder dem Drachen entgegen und riss ihm die letzten Köpfe ab.
Aus dem allerletzten Kopf wischte ein Hase. Aber da war der Jäger schon ein Windhund, sprang dazu und biss den Hasen tot. Da kam aus dem Hasen eine Taube. Sofort war der Jäger ein Adler und erwürgte sie. Und nun nahm er aus dem Taubenkopf den Stein und ging vergnügt zum Edelmann.
Der war von Herzen froh und behielt den Jäger einige Tage bei sich, um ihn recht zu pflegen.
Danach marschierte mein Jäger ab, um den gläsernen Berg, das verwunschene Königreich, zu erlösen. Er flog auf die Spitze des Berges und warf das Steinchen hinein. Dann eilte er, was er konnte, fort. Aber er war noch nicht weit gekommen, so gab es einen fürchterlichen Knall. Nun war alles rundum erlöst.
Wie es wieder still geworden war, wanderte der Jäger nach dem erlösten Schlosse. Seine Frau stand am Fenster und erkannte ihn sofort. Als sie hinauslief, um ihn zu begrüssen, riefen die Schwestern: "Was fällt dir ein? Was willst du jetzt schon wider tun? Wir sind knapp erlöst, und nun willst du uns wohl aufs neue verderben?"
Aber die Prinzessin hörte nicht darauf, sondern rief ihrem Vater und ihren Schwestern zu: "Das ist ja unser Erlöser!" -- lief ihrem Mann entgegen und fiel ihm um den Hals.
Nun kann man sich denken, wie glückselig alle waren! Die alte Mutter und die Kinder wurden geholt. Der König gab die Regierung an seinen Schwiegersohn ab, und alle lebten miteinander glücklich und in Freuden bis an ihr Ende.
Elisabeth Lemke: Volksthümliches aus Ostpreussen, 2. Teil. Mohrungen 1887, Nr. 40. (AT 400, Deutschland)
Quelle / Source: www.maerchen.de
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